Die Dinge des Lebens – Erinnerungen und ihre Gegenstände
Fragen — Gemma Pörzgen — 19.1.2022
Antworten, Bilder und Erinnerungen — Johannes Gramm
Gemma Pörzgen: Wie entstand die Idee zu diesem Buch?
Johannes Gramm: Wenn alte Tanten sterben, bleiben beim Leerräumen von Zimmern in Altenheimen oder von Wohnungen viele Dinge übrig. Die großen Möbel sind schnell weggeschafft, aber die kleinen Sachen hat man noch in der Hand und denkt über sie nach.
Das war auch in unserer Familie so, wo dann vieles zunächst bei meinen Eltern gelandet ist oder bei mir. Als meine Eltern gestorben sind, ist noch mehr bei mir gelandet. Ich habe ein ziemlich großes Archiv an Dingen und mir lange überlegt, was ich wohl damit mache. Schließlich ist es so eine Art Familienportrait, das sich aus diesen Dingen ergibt.
Ich habe irgendwann angefangen, die Dinge zu fotografieren. Schließlich wollte ich meiner Tochter Maria, die jetzt fünf Jahre alt ist, nicht all diese vielen Dinge einfach nur hinterlassen. Zunächst habe ich überlegt, ob es eine fotografische Serie werden könnte. Aber es wurde verhältnismäßig schnell klar, dass das zu sehr ausufert und eigentlich keine Form ist, mit der ich glücklich wäre. Dann kam die Idee, ein Buch zu machen.
Wie hast Du die Auswahl getroffen und nach welchen Kriterien?
Anfangs war das noch unklar. Da habe ich erstmal alles fotografiert – beinahe tausend Dinge, um zu gucken, wie es aussieht, wenn die Gegenstände meiner Familie und meiner eigenen Geschichte einfach mal hintereinander fotografiert werden, auf neutral grauem Hintergrund und auch nicht großartig mit Kunstlicht wie beim Werbefoto.
Das Tageslicht kam immer von links und aus dem Fenster. Es war auch immer die gleiche graue Pappe, die ich mitnehmen konnte, wenn ich Gegenstände aus dem Familienbesitz anderswo fotografiert habe. So standen beispielsweise die geschnitzten Soldaten meines Urgroßvaters in Frankreich in einer Ausstellung über den Ersten Weltkrieg.
Als die einzelnen Bilder fertig waren, habe ich sie nicht ausgedruckt, denn das wäre bei tausend Bildern zu teuer gewesen. Stattdessen habe ich sie bei Instagram oder Facebook gepostet. Ein Jahr lang habe ich dort jeden Tag mal eins, mal zwei oder drei Bilder publiziert. Und dann geschaut, welche Reaktionen kommen. Außerdem habe ich Freunden Bilder gezeigt und geschaut, auf welche Gegenstände sie besonders ansprachen.
Taschenuhr – Meine Urgroßmutter erhielt 1918 die Uhr ihres Mannes Ludger Göbels, nachdem dieser in Flandern erschossen worden war. Mein Großvater bekam sie als ältester Sohn und zog sie sein Leben lang täglich auf. Dies, sowie seine Geduld und Ausdauer, brachten Otfried Preußler zu der Aussage, der Herr Professor hätte eine Zauberuhr – und so hieß sie dann auch bei uns.
Aschenbecher – Meine Mutter hörte mit dem Rauchen auf, als sie weit über siebzig war. Links neben ihrem Sessel mit zwei Kissen im Rücken stand der Handarbeitskorb. Der Aschenbecher stand immer auf dem Tisch vor ihr, neben dem Aschenbecher die Packung Lord, ein Feuerzeug und ein Glas Sekt. Als sie aufhörte, ließ sie die Zigarettenpackung liegen. Der Aschenbecher füllte sich aber mit kleinem Schmuck, Knöpfen und Kleinzeug.
Die Wahrnehmung ist da vermutlich sehr unterschiedlich gewesen? Du hast einen persönlichen Bezug zu diesen Dingen aus Deinem Familienbesitz und dann schaut jemand ganz anderes darauf. Wie waren denn die Reaktionen?
Ich arbeite künstlerisch viel mit Portraits und an der Darstellung, wie jemand aussehen will. Wer möchte man sein? Wie möchte man wahrgenommen werden? Das interessiert mich. Von daher ist es mir nicht wichtig, dass ich jetzt quasi eine in Bildsprache übersetzte geheime Nachricht in die Welt raussende.
Es geht mir mehr darum, dass ich mich selber frage, wie sieht etwas aus, wenn ich das in eine Form bringe? Und natürlich auch, wie verändert sich das, wenn die Betrachter oder Besucher eine Arbeit von mir ansehen? Das gilt für eine Videoinstallation im Museum genauso wie für dieses Buch.
Entscheidend war deshalb nicht unbedingt jedes Ding, das viel Feedback bekam. Es war auch kein numerisches Voting entscheidend. Wichtiger war die Intensität der Reaktionen bei den Leuten auf bestimmte Dinge.
Da ist beispielsweise die kleine Bügelwasserflasche auf Seite 31, die meine Tante Maria zum Besprengen der Wäsche benutzt hat. Ohne Bügelbrett glättete sie auf ihrem Resopal-Küchentisch mit einem festen Moltontuch darauf. Der Duft war reines Glück. Auf dieses Bild haben viele Leute reagiert, ganz nach dem Motto: Die Flasche hatte meine Oma auch, ich weiß noch, wie das riecht beim Bügeln. Da dachte ich mir, da geht meine Erzählung auf.
Senfglas – Etwa in den frühen 70er Jahren wurden solche Gläser oft als Trinkgläser genutzt. Heute würde man es wohl Recycling nennen. Der gelbe Plastikdeckel wurde nicht weiterverwendet. Diese Liebe zum Glas mag ich am Ruhrgebiet, denn nirgendwo auf der Welt stehen in Getränkemärkten – falls es die dort überhaupt gibt – so unglaublich viele verschiedene Kästen unterschiedlichster Mineralwasserflaschensorten aus Glas herum.
Grubentuch – Der Einzige in unserer Familie, der jemals auf einer Zeche gearbeitet hat, war Josef, mein Opa. Aber er war dort nur kurz auf der Schreibstube, bevor er dann Lehrer wurde. Zwei Urgroßväter arbeiteten bei Krupp, als Modellschreiner und als Wasserwerker. Kalla, der Bruder meines Opas, spielte Fußball bei TuS Essen West und zwar richtig gut. Er starb dann aber an Rheuma, und ich kenne ihn leider nur aus Erzählungen.
Film –Das ist ein winziges Stück 35mm-Film. Ich besitze aus einem völligen Zufall heraus vermutlich die einzigen Bewegtbilder von Otto Steinert. Beim Wühlen in einem Abfallcontainer fand ich mehr als fünfzehn Filmdosen mit dem gesamten Material eines Dokumentationsfilms über die Folkwangschule von 1961. Ich habe den Film nie gesehen, aber irgendwann schau ich ihn mir an.
Espadrilles – Meine ersten Stoffschlappen kaufte ich mir in Cap Ferret im Südwesten Frankreichs. Heute ist das Dorf ein überteuertes Drecksloch. In den 80er Jahren gab es dort noch Austernfischer, und die von ihnen bevorzugte Zigarettensorte Boyards Maïs war noch nicht verboten. Im Café Du Centre stand ein Billardtisch, an dem schon Jean Gabin gespielt hatte – und ich. Das war sehr schön.
Zeichenwinkel – Mein Vater kam nach dem Krieg gemeinsam mit seinem älteren Bruder in eine Klasse am Gymnasium. Für den Mathematikunterricht bekamen sie diesen Winkel, der aus dem Fenster eines abgeschossenen Kampfflugzeugs geschnitten ist. Kleve war nach dem verheerenden Bombardement völlig zerstört, und nach dem Angriff irrten Oma und ihre Jungs herum und riefen in die Keller der Nachbarn: "Lebt ihr noch?"
Marienfigur – Die Lourdes Maria wurde bei einem Bombenangriff beschädigt und dann später wieder zusammengeklebt. Zum Ende des Krieges stand sie in der Wohnung meiner Urgroßeltern in Essen. Als eine Gruppe polnischer Soldaten ins Haus stürmte, fanden sie alle Frauen mit den Kindern allein dort. Die Situation war beängstigend, aber als die Soldaten die heilige Maria sahen, bekreuzigten sie sich und verließen das Haus.
Groschen – Zehn Pfennig! Ich sammelte immer wieder Münzen nach Prägungsjahr und den verwirrenden Buchstabenbezeichnungen. Vor allem die Exemplare der 'Bank deutscher Länder' waren begehrte Objekte. Welche Metalllegierungen den
Groschen ausmachten, weiß ich nicht, allerdings ist gerade diese Münze der Beweis, dass Geld stinkt oder riecht: der Groschengeruch.
Bügelwasserflasche – Der Duft frisch gebügelter oder gar gemangelter Wäsche ist vielleicht der schönste Duft - neben Regen auf heißem Asphalt - der mir einfällt. Tante Maria hatte kein modernes Dampfbügeleisen, sondern nutzte diese Flasche zum Besprengen der Wäsche. Ohne Bügelbrett glättete sie auf ihrem Resopal-Küchentisch, mit einem festen Moltontuch darauf. Der Duft ist reines Glück.
Fahrkarten – Die Fahrkarten waren klein und aus Pappe. Sie wurden gelocht, hießen meist «Einmal Essen Rückfahrkarte» und waren hellgrau mit einem gelben Balken in der Mitte. Gekauft wurden sie im alten Bahnhof bei einem Mann, der an einem großen Pult stand. Wie bei einem Radiogerät wurde auf einer Skala das Ziel eingestellt, und die Karte fiel gestanzt in eine Schale an der Seite.
Du hast Dich also im Kontakt mit anderen erst einmal vergewissert, dass diese Dinge nicht nur eine subjektive Reaktion von Dir hervorrufen, sondern auch etwas haben, das auch andere Leute anspricht oder sie aus ihren Familien kennen?
Es funktionierte über diesen Umweg. Eigentlich ist die Idee, ein Selbstporträt zu schaffen über diese Form der Darstellung einer Familiengeschichte. Dabei geht es darum einen Weg zu finden, bei dem kollektive Erinnerungen andocken können. Der niederländische Journalist Cees Maas schrieb mir, er habe das Buch erhalten und eigentlich einen Fotoband erwartet. Beim Durchblättern habe er dann bemerkt, dass es eigentlich ein Roman ist und eine Reise durch die Zeit. Das fand ich schön, wie er das beschrieben hat. Das passt sehr gut zu dem, was ich vorhatte.
Nun ist die äußere Erscheinung des Buches tatsächlich die eines Romans. Es gibt sogar ein Lesebändchen. Es ist kein reines Fotobuch, weil es darin auch Texte gibt. Hattest Du das beabsichtigt, ein Lesebuch zu machen?
Es sollte ein Blätterbuch werden. Das Buch ist eine eigenständige künstlerisches Arbeit. Es orientiert sich eigentlich an einem größeren Gebetbuch der katholischen Liturgie aus dem 19. Jahrhundert, auch von der Schriftgröße her und mit dem Lesebändchen. Ich hätte sogar noch gerne Goldschnitt gehabt, aber das ging leider nicht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Buch zu lesen. Ich habe Freunde, die schauen sich nur die Bilder an. Dann gibt es andere, die sehr schnell auf die Texte kommen und sie komplett durchlesen. Eine dritte Gruppe blättert hin und her. Da ist es immer gut, wenn man die Seite, auf der man gerade ist, mit dem Lesebändchen blockiert und den Appendix mit dem Text zwischendurch lesen kann. Konzipiert ist es vor allem als ein Buch, das man immer mitnimmt und dabei hat.
Ein Buch für den Nachttisch?
Es war eigentlich noch profaner gedacht als ein Buch, das man auf dem Klo liegen hat. Dort hat man immer intensiv Zeit. Deswegen gibt es immer bestimmte Bücher, die auf den Toiletten landen.
Dabei hat das Buch doch eine gewisse Strenge in der Präsentation. Die graue Pappe, der gleiche Blickwinkel auf die Gegenstände.
Wie kommt es, dass Du Dich dafür entschieden hast?
Das erste Bild zeigt die sogenannte Zauberuhr meines Großvaters. Meine Urgroßmutter erhielt 1918 die Uhr ihres Mannes Ludger Göbels, nachdem dieser in Flandern erschossen worden war. Mein Großvater bekam sie als ältester Sohn und zog sie sein Leben lang täglich auf. Diese Taschenuhr befindet sich noch in seinem früheren Arbeitszimmer. Das hätte man also auch mit der Umgebung fotografieren können, aber das wollte ich nicht. Ich wollte die einzelnen Dinge so erfassen, damit meine Idee aufgeht, jedes Foto mit einem kurzen Text von drei bis fünf Zeilen zu kombinieren. Die Bilder sollten möglichst ruhig wirken, mit dem jeweiligen Tageslicht – das findet sich ja auch im Untertitel des Buches. Auch das neutrale Grau im Hintergrund ist bewusst gewählt.
Schuhspanner –Die Schuhspanner sind von Tante Maria und für ihre Sonntagsschuhe. Die waren aus glattem, hellem Leder mit Bordüren. Ein dunkles Paar gab es für Beerdigungen. Sie trug einen Dutt mit Haarnetz und oft eine Kittelschürze aus Synthetik. In ihrer Küche stand eine Liege, Chaiselongue genannt, auf der sie immer von etwa zwei bis drei Uhr ihren Mittagsschlaf machte. Als sie starb, war ich weit weg in Wien, obwohl sie mich gebeten hatte, nicht zu fahren.
Bernstein – Die nahezu fetischhafte Bewunderung für Bernstein teilten alle Frauen der Familie meiner Mutter. Früh verzauberte mich meine Großmutter, die wir Kinder Nonna nannten, mit einer eingeschlossenen Mücke in diesem leuchtenden Stein. Wir Kinder scheiterten mit einigen Versuchen, aus dem Harz der Knappkirschbäume im Garten und Salzwasser in einer alten Zinkbadewanne selbst Bernstein zu erschaffen.
Schneckenhaus –Die Schnecke ist ein Geschenk von Aida, das sie mir aus Stromboli mitbrachte. Wir lernten uns als Studenten kennen, und später wurde sie Tänzerin bei Pina in Wuppertal. Wir verliebten uns und sind bis heute sehr gut befreundet. Ich
erinnere mich, dass ich, als ihr Vater starb, einen Tag zuvor genau davon träumte. Und ihre Mutter machte die beste Pasta mit Hühnchen der Welt.
Henkelmann – Uropa arbeitete bei Krupp. Er war zutiefst katholisch und wählte Zentrum. So weigerte er sich während des Arbeitskampfes in den 20ern, mit den Kommunisten zu streiken, obwohl er ihre Forderungen teilte. Sie versuchten, ihn zu fangen und zu verprügeln. Nur knapp entkam er durch das Küchenfenster zu seinen Schwestern. Auf die Straße vor dem Haus schrieben sie dann 'Hier wohnt der Streikbrecher Adam Gramm'.
Ist diese Strenge der Abbildungen auch der Versuch, einen Kontrast zu schaffen zu der Sentimentalität, die man oft mit solchen Familiengegenständen verbindet?
Ich habe Malerei studiert, deshalb ist es eher dem geschuldet, dass es eine bestimmte Form von Bildhintergründen gibt, beispielsweise bei Stillleben. Da gibt es dann oft braun oder grau, ruhige Flächen, vor denen sich dann das eigentliche Geschehen abspielt.
Hast Du ein Lieblingsding? Auf dem Titelbild ist ein an Dich gerichteter Brief aus den USA abgebildet. Die Adresse darauf ist mit einer sehr schönen filigranen Handschrift geschrieben.
Wir haben zusammen mit dem Fotohof Salzburg überlegt, was auf den Titel kommt. Durch diesen Brief ließ sich das gut mit meinem Autorennamen verbinden. Ich habe keinen Lieblingsgegenstand, es sind schon eher viele Dinge.
Brief– Mit fünf Jahren erfuhr ich, dass ich einen Onkel in Amerika hatte: Theo Griesenbrock, Stiefvetter meiner Nonna, 1923 mit zweiundzwanzig Jahren nach Ohio (USA) ausgewandert. Ich schrieb ihm einen Brief, und es kam tatsächlich eine Antwort, später gar ein Besuch. Sein Brief enthielt einen Dollarschein, Ansichtskarten, eine kurze Beschreibung seines Lebens und einige Zeilen an meine Mutter und die Feststellung, dass er kein Cowboy sei.
Barometer –Wettervorhersagen sind ziemlich schwierig. Überhaupt ist es schwierig, etwas vorherzusagen. Nonna war der festen Überzeugung, dass das Geschlecht eines neugeborenen Kindes nicht das Geschlecht werde, welches zur Zeit der Zeugung die Beziehung dominiert. Ich finde, diese komplexe doppelte Verneinung hat viel von der Abseitsregel im Fußball, und wenn ich darüber nachdenke, stimmt sie.
Wäscheklammern – Meiner Überzeugung nach war meine Tante Maria die Person in meinem Leben mit dem kleinsten klimatischen Fußabdruck. Sie hatte keine Kinder, war sparsam und pflegte ihre Dinge sehr gewissenhaft. Von ihr habe ich die einfache Tatsache gelernt, dass ein ordentliches Aufhängen von Wäsche diese besser trocknen lässt und sie somit auch deutlich länger hält.
Regenschirm – Papas Schirm, ein defekter Knirps, fiel mir nach seinem Tod in die Hände. Ich wollte ihn unbedingt behalten, weil mich damit, etwas naiv gedacht, Mama und Papa ein bisschen beschützen. Bei meiner Suche nach einem Reparateur stieß ich auf den letzten Schirmmacher Deutschlands. Schirm Schüffler, keine tausend Meter von meinem Atelier, machte ihn wie neu.
Hat sich Deine eigene Wahrnehmung dieser Dinge durch die Arbeit verändert?
Zum Entsetzen meiner Lebensgefährtin Katharina sammele ich schon sehr lange sehr viele Dinge. Alles mögliche. Ich habe ein sehr großes Archiv. Von daher entspricht mir das einfach.
Also lebst Du eher das Gegenteil von diesem neuen Trend zum Ausmisten?
Ja, davon halte ich nichts. Wer das mag, soll das ruhig machen, ist doch super. Allerdings habe ich damit meine eigenen Erfahrungen gemacht. In meiner Familie sind viele an Krebs gestorben. Dadurch habe ich auch erlebt, dass einige Kinder vor ihren Eltern sterben und die Hinterbliebenen darauf sehr unterschiedlich reagieren. Da sind in einigen Fällen die Sachen sehr schnell fortgeschafft und sogar verbrannt worden. Auch aus lauter Trauer. Ich finde es gut, wenn man sich mit solchen Gegenständen umgibt und sie ins eigene Leben hinüberrettet – zumindest in einem gewissen Rahmen, nicht als Museum. Auf diese Weise lässt es sich besser begreifen, dass man irgendwo herkommt und dass es irgendwo weitergeht.
Gehen die Dinge dann in Deiner Familie in die nächste Generation über oder reicht es jetzt, dass sie über das Buch und die Fotos weiterleben?
Wie es mit den Dingen weitergeht, entscheidet eines Tages meine Tochter Maria. Ihr ist das Buch gewidmet. Es wird irgendwann eine Zeit kommen, wo ich nicht mehr da bin und sie vielleicht doch die Geschichte ihrer Familie und damit auch ihre Geschichte etwas beleuchten kann.
Johannes Gramm: Dinge, FOTOHOF edition, Salzburg 2021, 30 Euro, Deutsch/Englisch, ausgezeichnet mit dem Deutschen Fotobuchpreis in Silber, ISBN 978-3-903334-19-9
Johannes Gramm, geboren 1964 in Essen, lebt und arbeitet im Ruhrgebiet und im niederländischen Zeeland. Er studierte Philosophie, Germanistik, Mathematik , Malerei, Grafik und Fotografie an der Universität Essen in Essen. Zahlreiche Ausstellungen, Bühnenbilder und Performances im In-und Ausland. Mit einer künstlerischen Plakataktion - verschiedene Motive aus einer Selbstportrait-Serie in verfremdender Bearbeitung - trat Johannes Gramm als parteiloser Direktkandidat bei der Bundestagswahl 2013 für den Wahlkreis Essen III an.
Gemma Pörzgen ist freie Journalistin mit Osteuropa-Schwerpunkt. Sie arbeitet in Berlin als Autorin und Veranstaltungsmoderatorin sowie in der Redaktion von Deutschlandfunk Kultur. Davor war sie als Auslandskorrespondentin für verschiedene Zeitungen in Belgrad und Tel Aviv tätig. Seit April 2020 ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift «Ost-West. Europäische Perspektiven». Sie ist Mitgründerin und ehrenamtliches Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen Deutschland.
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