Text — Miriam Zlobinski
Fotos — Laura Pannack
Das Projekt von Laura Pannack erzählt die Geschichte von Baruch, einem jungen chassidischen Juden auf der Suche nach einem neuen Lebensweg. Die Fotografin suchte eine eigene Bildsprache, um die Transformation des jungen Mannes zu dokumentieren.
«Bei diesem Projekt geht es nicht um alle jungen Leute oder um alle orthodoxen Menschen. Es handelt von Baruch und seiner Geschichte.»
Laura Pannack kontaktiert Baruch nachdem sie bereits mehrere junge Leute in der gleichen Situation getroffen hatte. Jeder von ihnen sucht einen neuen Weg, mit dem orthodoxen Glauben zu leben. Bei ihrem ersten Treffen in Israel auf einen Kaffee versammelte sich eine kleine Menschenmenge um Baruch und Laura, um das ungleich gekleidete Paar zu fotografieren, erzählt die Fotografin. Baruch ließ sich davon nicht irritieren. «Er schien neugierig zu sein, mich kennenzulernen, und war eine sympathische Mischung aus einem naiven Kind, dem sein ganzes Leben lang Entscheidungen abgenommen wurden, und einem ehrgeizigen und proaktiven Erwachsenen. Er ist ein freundlicher Mann, und ich denke, wir beide spürten eine Transparenz in unseren Charakteren, die es leicht machte, einander zu vertrauen.»
Viele Bilder zeigen Baruchs Figur in einer weiten und schönen Naturlandschaft, von der Kamera abgewandt. Als Motive einer Introspektion erweist sich Baruch's Blick auf sich selbst in der Oberfläche des Wassers, in das er eingetaucht ist. Sein Spiegelbild kräuselt sich, verzerrt sich. Die Spannung zwischen seinem alten Leben und dem Neuen schwingen mit. Genau in diesen Bildern ist es Pannack und Baruch gemeinsam gelungen, das immaterielle Thema der eigenen Transformation zu visualisieren.
«Er wollte bestimmte Dinge erkunden, die sein Lebensstil nicht erlaubte. Also löste er sich von seiner Gemeinde.»
Die Fotografin entschied sich, keine streng dokumentarische Haltung einzunehmen, sondern vielmehr einige der emotionalen Themen von Baruchs innerer Reise mit Hilfe von Tableaus und Symbolen zu visualisieren. «Die meisten Ideen für die Bilder, die wir entwickelt haben, kamen aus Brainstormings und dem ständigen Austausch miteinander. Es ging um all die Themen, die Baruchs Reise berühren und mit denen wir uns alle universell identifizieren können», beschreibt Laura. «Transformation, Befreiung, Reflexion..., dabei war es meine Rolle, ihn für die Bildfindung anzuleiten. Gleichzeitig lernte ich durch ihn die zu findenden Symbole kennen; stellte ihm Fragen, was gerade in seinem Leben passiert, was für ihn aufgeregend ist, was er machen möchte und welche Orte ihm wichtig sind. Letzlich alles, was für seine Reise von Bedeutung war.» Baruch selbst war die Hauptinspiration.
Über die vielen Darstellungen des orthodoxen Lebens als abgeschlossener Lebensentwurf war sich die Fotografin bewusst.
«Ich bin selbst jüdisch und mir war es sehr wichtig, keine Stereotype zu bilden. Es geht nicht um alle jungen Leute oder um alle orthodoxen Menschen. Es handelt von Baruch und seiner Geschichte.» Diesem Ziel folgt die gesamte Arbeitsweise, sie konzentriert sich auf ihren Protagonisten.
Für Laura «ist die Geschichte von Baruch ein inspirierender Akt der Neugierde. Er hat sich von allem entfernt was er kannte, von allem was zu ihm gehörte und ich liebe die Idee, alles zum ersten Mal auszuprobieren - ein Anruf mit dem Handy, Playstation spielen, Reisen...»
Er verriet ihr, dass der Name «Moshe», unter dem sie ihn kennengelernt hatte, ein Pseudonym war. «Das zeigt, was für ein Doppelleben er führte», reflektiert Pannack.
Über das Projekt hinaus verweist Laura Pannack auf einen größeren Rahmen ihrer Dokumentation. «Indem ich diese Geschichte erzähle, hoffe ich, dass wir uns alle wiederfinden können. Es geht nicht um Religion oder Kultur, es geht mehr um eine Wahl, die wir alle haben, ein Leben, das wir ändern können.»
Die Arbeit mit der Kamera fand oft nach langen Autofahrten statt, die mit Gesprächen gefüllt waren. «Ich habe gelernt, dass es wie in jeder Beziehung ist, es ist wichtig die Person zu finden, deren Geschichte man teilen möchte.»
Weiterlesen
Mehr ReVue
passieren lassen?
Der ReVue Newsletter erscheint einmal im Monat. Immer dann, wenn ein neuer Artikel online geht. Hier en passant abonnieren.
Sie möchten unsere Arbeit
mit einer Spende unterstützen?
Hier en passant spenden!
Fotografie ist allgegenwärtig, wird aber in den journalistischen Medien noch wenig hinterfragt oder erklärt. Wer an Journalismus denkt, denkt an Texte. Das digitale Magazin ReVue verfolgt einen anderen Ansatz: Es nähert sich den Themen vom Bild her. In unseren Beiträgen untersuchen wir die Rolle und Funktion von Bildern im Verhältnis zum Text, zur Wahrheit, zum politischen oder historischen Kontext. Wie nehmen wir Bilder wahr? Welche Geschichte steckt dahinter?
Unsere Beiträge erscheinen auf Deutsch, wir übersetzen aber auch fremdsprachige Texte und erleichtern so den Wissenstransfer zu einer deutschsprachigen Leserschaft.
ReVue ist unabhängig. Die Redaktion arbeitet ehrenamtlich. ReVue ist ein Projekt der gemeinnützigen DEJAVU Gesellschaft für Fotografie und Wahrnehmung e.V. in Berlin.
Herausgeberin
DEJAVU
Gesellschaft für Fotografie und Wahrnehmung e.V.
Methfesselstrasse 21
10965 Berlin
ReVue ISSN2750–7238
ReVue wird unterstützt von